Infrastruktur – Reden wir mal drüber

Das Institut für Verkehr und Infrastruktur der Hochschule Karlsruhe (Die HKA) und der Innovation HUB für Prävention im Bauwesen vom Karlsruher Institut für Technologie (KIT) luden am 26. April 2024 zum Symposium über die Vielfältigkeit der Infrastruktur und Beteiligung ein. Die Veranstaltung fand von 09:00 bis 13:00 Uhr in den Räumen des Architekturschaufenster e. V. in der Waldstraße 8 statt und setzte sich von 14:00 bis 16:00 Uhr auf der Kaiserstraße/Ecke Lammstraße fort. Für den ersten Teil war eine Anmeldung erforderlich, während der zweite Teil öffentlich ist und ohne Anmeldung besucht werden konnte. Die Teilnahme war kostenlos.

Das vom Institut für Verkehr und Infrastruktur der HKA und dem KIT Innovation HUB gemeinsam durchgeführte Projekt PART-COM (Partizipative Transfer Communities) wird vom Bundesministerium für Bildung und Forschung über einen Zeitraum von drei Jahren gefördert. Es versteht sich als Beitrag zu einer offenen und kreativen Innovationsgesellschaft, in der Impulse für einen technologischen und gesellschaftlichen Wandel verstärkt von den Bürgerinnen und Bürgern ausgehen sollen. Ziel ist es, durch die frühe Einbindung der Bürger in Transfer- und Innovationsprozesse nicht nur deren Bedürfnis nach Mitsprache und Mitgestaltung zu adressieren, sondern auch die Akzeptanz für Innovationen zu erhöhen sowie Entscheidungen bedarfsgerechter, effizienter und nachhaltiger treffen zu können. Dafür werden interaktive Methoden und geeignete Beteiligungsformate eingesetzt, um die Co-Produktion von Ideen und Wissen zu unterstützen und die Zusammenarbeit von Bürgern mit Wissenschaftlern, Ingenieuren und kommunalen Akteuren auf Augenhöhe zu ermöglichen.

Im ersten Teil unter dem Titel „Barrierefreiheit in der Öffentlichkeitsbeteiligung – ein Perspektivenwechsel“ in den Räumen des Architekturschaufenster erkundeten und diskutierten die Teilnehmenden Ansätze zur Förderung von Vielfalt und Inklusion in der Öffentlichkeitsbeteiligung, um eine barrierefreie Teilnahme für alle zu ermöglichen. Zu Gast waren Ellen Kubica, Landesbeauftragte für die Belange von Menschen mit Behinderungen Rheinland-Pfalz, Jan Lange, Büro für Mitwirkung und Engagement der Stadt Karlsruhe, Jelena Gregorius, Partizipationsexpertin bei Go Vocal, sowie Christian Besau, blinder Hörfunkmoderator beim Evangelischem Rundfunkdienst Baden.

Im zweiten Teil des Symposiums mit dem Titel „Infrastruktur – die vergessenen Helden und ihre Herausforderungen“ fand eine Diskussion über die Vielfältigkeit der Infrastruktur und die damit verbundenen gesellschaftlichen Herausforderungen statt. Dies geschah an einer langen Tafel im öffentlichen Raum in der Kaiserstraße/Ecke Lammstraße gemeinsam mit Experten und Bürgerinnen und Bürgern. Experten aus den Bereichen Verkehr, Energie, Information, Wasser und soziale Infrastruktur werden mit Bürgerinnen und Bürgern die Frage diskutieren, was unsere Infrastruktur wie Straßen, Schienen, das Internet, Krankenhäuser, Schulen und fließendes Wasser zu Hause für unser tägliches Leben bedeuten und welche Herausforderungen zu bewältigen sind, um sie funktionsfähig und nachhaltig zu erhalten.

Teil 1 Barrierefreiheit in der
Öffentlichkeitsbeteiligung
– Ein Perspektivenwechsel

Die erste Rednerin, Ellen Kubica, Landesbeauftragte für die Belange von Menschen mit Behinderungen in Rheinland-Pfalz, begann mit einem bedeutsamen Satz: "Nichts über uns, ohne uns", der den Grundsätzen der Behindertenrechtsbewegung entspricht. Sie betonte die Notwendigkeit, dass Menschen mit Behinderungen selbst über ihre Anliegen entscheiden können und nicht von anderen über ihren Köpfen hinweg entschieden wird. Kubica wies darauf hin, dass Menschen mit Behinderungen oft auf Barrieren stoßen, wenn sie sich politisch beteiligen möchten, und betonte die Bedeutung inklusiver und barrierefreier Formen der Beteiligung, von denen alle profitieren würden. Sie betonte auch die Bedeutung der Ermächtigung und Förderung von Menschen mit Behinderungen durch Ausbildung und Weiterbildung.

Ian Brow, Mitarbeiter des Projekts PART-COM an der HKA, sprach über Qualitätsmerkmale für eine gute barrierefreie Fußverkehrsinfrastruktur. Er erläuterte die Definition von Behinderung und Barrieren und betonte, dass die meisten Menschen nur vorübergehend nicht behindert sind. Brow präsentierte die Ergebnisse eines Workshops in Hamburg, bei dem mit einem Konsortium von Teilnehmenden Qualitätsmerkmale für barrierefreie Fußinfrastruktur erarbeitet wurden. Er hob hervor, dass barrierefreie Wege allen Verkehrsteilnehmern zugutekommen und dass Barrierefreiheit bereits in frühen Planungsphasen berücksichtigt werden sollte. Brow betonte weiterhin die Bedeutung des Datenaustauschs für die Verwaltungseffizienz.

Jelena Gregorius, Expertin für Beteiligung bei CitizenLab, sprach über inklusive digitale Plattformen und wie sie für vulnerable Gruppen zugänglich gestaltet werden können. Sie erläuterte die Vorteile der öffentlichen digitalen Beteiligung und betonte die Vielfalt und Zugänglichkeit solcher Beteiligungsprozesse. Gregorius diskutierte verschiedene Möglichkeiten, um mehr Menschen einzubeziehen, und betonte, dass es zwar herausfordernd sei, alle mitzunehmen, aber zweifelsohne lohnend.

Christian Besau, blinder Hörfunkmoderator beim Evangelischen Rundfunkdienst Baden, sprach über die berufliche Nutzung digitaler Plattformen im Zusammenhang mit Barrierefreiheit. Er betonte den Fortschritt im Abbau von Barrieren in der digitalen Kommunikation, wies aber auch auf den weiteren Arbeitsbedarf hin. Besau empfahl daher, die barrierefreie Nutzbarkeit von digitalen Angeboten von Beginn an mitzudenken, verwies aber gleichermaßen darauf, dass auch in der hochinteressanten und mitunter sehr inklusiven Welt digitaler Plattformen Menschen immer wieder auf den Support und das Mitdenken anderer Mitmenschen angewiesen sein werden.

Zwischen den Vorträgen fanden interaktive Elemente statt, bei denen die Teilnehmenden aufgefordert wurden, sich zu verschiedenen Fragestellungen zu äußern. Es wurde deutlich, dass die Mehrheit der Teilnehmenden sich zwar nicht von Barrieren betroffen fühlten, dennoch durchaus Barrieren benennen konnte, die sie in der Vergangenheit an der Teilnahme an öffentlichen Veranstaltungen gehindert haben. Eine häufig genannte Barriere war beispielsweise die mangelnde Kinderbetreuung.

Der erste Teil vom Symposium endete mit einer durch Juliane Langer moderierte Podiumsdiskussion mit Christoph Weinmann, freiberuflicher Moderator, Mediator und Prozessbegleiter, Carmen Matheis, Schriftdolmetscherin und Christian Besau, Hörfunkmoderator. 

In dieser offen geführten Diskussion wurden die Vorträge und die darin thematisierten Inhalte aufgegriffen und von den Teilnehmenden, unter gekonnter Gesprächsleitung durch Frau Langer, eingehend und multiperspektivisch durchdrungen. Darüber hinaus wurden Fragen aus dem Publikum aufgenommen, um einzelne Inhalte bzw. offene Fragestellungen tiefergehend zu beleuchten.

Insgesamt war der erste Teil des Symposiums geprägt von einem regen und ansprechenden Austausch in den Pausen sowie in den Fragerunden nach den Vorträgen. Der Erfahrungsaustausch wurde durchweg positiv aufgenommen und als bereichernd empfunden.

 


Teil 2 Infrastruktur – 
Die vergessenen Helden
und ihre Herausforderungen 

Der zweite Teil der Veranstaltung, organisiert vom KIT, fand als innovative Open-Table Veranstaltung in der Fußgängerzone in der Nähe des Marktplatzes in Karlsruhe statt. Hier wurde ein neuartiges Format getestet, bei dem lebensgroße Superhelden-Personas zu Themen wie Soziale Infrastruktur, Digitales, Wasser, Energie und Information um eine 5 Meter lange Tafel angeordnet wurden. Passanten wurden eingeladen, vorgedruckte Postkarten zu verwenden, um „an ihre Infrastruktur“ zu schreiben und somit einen persönlicheren Bezug zur Infrastruktur herzustellen. Darüber hinaus hatten die Teilnehmer die Möglichkeit, vorgedruckte Sticker mit harten Fakten zu Infrastrukturen auf die Postkarten zu kleben. Dies ermöglichte es ihnen, ihren Standpunkt mit Fakten zu hinterlegen oder spezifische Fragen zu den Infrastrukturthemen zu stellen. Diese interaktive Herangehensweise förderte einen anregenden Dialog zwischen den Bürgerinnen und Bürgern und den Expert über ihre Wünsche und Anregungen zu verschiedenen Aspekten der Infrastruktur. Die gesammelten Rückmeldungen wurden anschließend durch das PART-COM Team an die Stadt Karlsruhe übergeben.

Die Offenheit des Formats und die Einbeziehung von Passanten sorgten für eine lebhafte Diskussion, die es den Teilnehmenden ermöglichte, ihre Perspektiven und Anliegen aktiv einzubringen. Diese direkte Beteiligung der Öffentlichkeit wird als wertvolles Element angesehen, um die Bedürfnisse der Bürger besser zu verstehen und in zukünftige Planungen einfließen zu lassen.